DSL

St. Leon-Rot besteht, der Name lässt es vermuten, aus zwei Ortsteilen. Einem schönen und eben Rot. Der Ortsteil Rot entstand, das ist historisch belegt, in etwa zeitgleich mit der großen Pestepidemie. Ob es da einen Zusammenhang gibt… man weiß es nicht, aber ganz ausschließen kann man es jedenfalls nicht. Irgendwohin musste man die ganzen Pest-Zombies ja bringen und wenn die dann ein eigenes Dorf gründen, ist das deren Sache. Wer wollte sie daran hindern.
Ansonsten stand Rot die ganzen Jahre da, wo es hingehört: im Ortsnamen und auch sonst hinter St. Leon. Das war auch gut so und hätte gerne auch so bleiben können, aber nein: die SAP muss ja dort ihre Zelte aufschlagen und schwupp haben wir in Rot, was Kohl für die DDR wollte: blühende Landschaften – und vor allem ein schweineschnelles DSL. In ganz Rot wohlgemerkt und nicht nur bei der SAP! Die von der Telekom gezogene Geschwindigkeitsgrenze zieht sich bis zur Ortsgrenze (die natürliche: die Autobahn. Nicht dieser komische Grenzstein); ab dann ist 6000 das Maß aller Dinge und noch nicht mal das überall. In St. Leon lahmt das Netz also vor sich hin, während man in Rot das halbe Internet in zwei Sekunden runterladen kann. Fair ist das nicht und mein Ach-gönn-denen-das-doch-Gefühl geht dabei ähnlich flöten wie beim Solidaritätszuschlag, der sowieso für alles mögliche verprasst wird (wahrscheinlich die Lustreisen des von und zu Guttenberg und so ein Mist), nur nicht für wichtige Dinge. Ich bin einfach nur neidisch und will das auch. Die Telekom kann das aber nicht, bzw. will nicht. Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Ergo zieht es mich zu KabelBW, denn das scheinen die einzigen zu sein, die auch ohne den Magenta-Riesen schnelle Leitungen bieten können.

Warum ich das schreibe? Nun, eigentlich nur als Reminder an mich selbst, denn Ende Februar muss ich meinen Vertrag kündigen, sonst bin ich weitere zwei Jahre Sklave beim 6000er-Max-Provider. Nicht, dass es sonst Probleme gäbe, aber dass Rot schneller ist als St. Leon… das verzeihe ich keinem. Auch nicht der Telekom.

Company blog

Ich befürchte, dass ich demnächst beim Vorstand antanzen und was unterschreiben muss. Die Firma will nämlich anfangen zu bloggen und ich kann mir vorstellen, dass ich schriftlich bestätigen muss, dass ich niemals nie einen Kommentar und noch niemals nie’er einen Eintrag verfassen werde. Der Schrieb wird von einem Konsortium der besten Medienanwälte dies- und jenseits der Landesgrenzen aufgesetzt worden sein und wenn ich unterschreibe, werden neben unzähligen Videokameras auch Horden von Notaren und beglaubigten Zeugen zugegen sein. Die Vertragsstrafe dürfte auf neuem Rekordniveau liegen und bei Zuwiderhandlung meinerseits würde das Grundgesetz auf zwielichtem, aber doch noch halblegalem Wege umgangen und eine sofortige Erschießung wäre halbwegs rechtens. Wenn ich das Firmenblog aufriefe, würden in der IT Sirenen kreischen und Warnleuchten erhellten die sonst so düsteren Räume auf  Daimler-Stadion-Flutlichtniveau. Zeitgleich ginge eine SMS, sowie mehrere High-Prio-Emails an den Provider raus, vollautomatisch natürlich, damit man dort vorsorglich die Site schon mal abschalten kann, um Schaden zu verhindern, während das ebenfalls alarmierte Sondereinsatzkommando “Firmen-Blog” der Polizeiwache Ditzingen vor dem Büro Stellung bezöge. Spezialisten mit Online-Kentnissen (Ein Facebook-Account und mindestens zwei Bestellungen bei amazon.de gelten als Nachweis) stünden bereit, um Gegendarstelltungen in den Kommentaren zu posten, bis die Site offline ist. Über die Klimaanlage würde Schlafgas in alle Räume gepumpt und mit Atemmasken ausgerüstete Pitbulls ins Gebäude gelassen…

…naja, vielleicht wirds aber auch gar nicht so schlimm…

Nouvelle cuisine

Wir haben einen neuen Koch in der Kantine und plötzlich ist da wieder richtig was los und die Leute schwärmen und alles ist supi. Ich bin mir da noch unschlüssig. Natürlich schleimt der sich zu Anfang ein und kocht sich die Finger und Töpfe wund. Aber irgendwann wird auch er merken, dass mit dem gegebenen Budget nicht ständig Cognac-Sößchen und Kobe-Steaks drin sind. Dann kommt der Frust und die frischen Kräuter finden sich immer seltener auf dem Blumenkohl oder den Kartöffelchen und die Soße vom Vortag wird nochmal gestreckt usw.

Ich bin eh der Meinung, dass das ganze Zeug nur deshalb besser schmeckt, weil die Friteuse endlich mal frisches Fett gesehen hat und der Vorratsraum ausgemistet wurde (das Fett dürfte dann unter die Futtermittel für die Viecher gemischt worden sein: der nächste Skandal naht, Frau Aigner!). Aber auch das ist nicht von Dauer. Aber solange genießen wir noch die neuen Vorzüge der kulinarischen Neuorientierung in der Kantine – auch wenn ich nicht zu solch orgasmusgleichen Hmmm-Lauten bei jedem Bissen neige wie mancher Kollege. Wenn diese Laute bei einer Pute kommen, mache ich mir gleich doppelt Sorgen. Aber ist halt alles eher ländlich geprägt hier.

Bremslichter

Man sieht die Bremslichter am eigenen Wagen ja höchst selten; wahrscheinlich nur, wenn einem der Wagen geklaut wird und selbst dann nicht, denn falls die Diebe auch nur ansatzweise etwas von ihrem Job verstehen, bremsen sie nicht sondern geben Gas. Ich habe meine Bremslichter zum Beispiel noch nie gesehen (also noch nicht im aktivierten Zustand. Ansonsten schon), aber sie scheinen extrem hell zu sein. Heute abend, auf dem Weg von der Fabrik ins traute Heim, stand ich an der Ampel. Und weil die Ampel rot und vor mir ein anderer Wagen war, bremste ich. Bzw. stand auf der Bremse. Automatikfahrzeuge neigen nämlich zum Nach-vorne-rollen wenn man das nicht tut. Ich tat also was Millionen anderer Automatikfahrzeugfahrer an roten Ampeln auch tun: bremsen. Das scheint aber nach hinten wegzustrahlen wie die Flutlichter im Daimler-Stadion, denn der ältere Herr nebst nicht minderjungen Beifahrerin im Wagen hinter mir hielten sich beide Hände vor die Augen, als hätten sie Angst, dass es ihnen die Netzhaut verbruzzelt. Außer meinen Bremslichtern und der immer noch roten Ampel gab es aber keine weitere Lichtquelle, die diese Angst hätte nähren können und da die Ampel in normaler deutschen Standard-Ampelstärke leuchtete, befürchte ich fast, dass meine Bremslichter die beiden an den Rand des luminierten Wahnsinns trieben. Hm. Das tut mir zum einen leid, zum anderen gibt es mir zu denken. Was sind denn da für Bremslichter verbaut? Muss ich Angst haben, dass wegen mir versehentlich eine Boeing 747 notlandet, weil sie meine Bremslichter für Landebahnenlichter hält? Sende ich beim Bremsen Botschaften an Lebewesen im All und wenn ja: was um Himmels willen schreibe ich denen da? Hoffentlich nur nette Sachen. Wieviele Leute wurden wegen meiner Bremserei schon blind und wieviele brauchen seitdem keine Brille mehr? Fragen über Fragen die leider unbeantwortet bleiben müssen bis mein Auto geklaut wird und zwar von einem ziemlich blöden Dieb, der beim Auto klauen auch mal bremst. Bis dahin: Sorry, liebe ältere Mitmenschen, die ihr mich an der Ampel vor Euch ertragen müsst. Ihr seht aber auch zu witzig aus, wie ihr da mit vorgehaltenen Händen im Auto sitzt. Allein das ist es wert, das Bremspedal zu treten.

In der Apotheke

Irgendwie hat sich das Konzept Medikamente online zu kaufen nicht so wirklich durchgesetzt. Ich kenne da zwar einen Kandidaten, der das nun wieder mal versucht, aber letztendlich kenne ich so gut wie niemanden, der sich seine Aspirin, Betablocker oder Viagra online bestellt (letzteres vielleicht doch, aber das geben die üblichen Verdächtigen ja wieder nicht zu).

Einer der Gründe könnte sein, dass einem beim Onlinekauf von pharmazeutischen Artikeln die Beratung fehlt, wobei mir nicht ganz klar ist, was es beim Kauf von Aspirin, Bepanthen oder ähnlichem groß an Beratung braucht. Bei anderen Dingen aber dann doch. Man geht in die Apotheke, berichtet von seinen kleineren oder größeren Zipperlein, wird kurz bemitleided und bekommt dann genau das, was es braucht, damit es einem wieder gut geht (im Zweifelsfall was von Ratiopharm – bis auf die Antidepressiva: man munkelt, dass die von Ratiopharm nicht sonderlich wirksam sind. Ich sage nur Regionalexpress Ulm-Ravensburg). So war das zumindest früher. Heute läuft auch dort einiges anders.

Ich betrete die Apotheke, nachdem ich mich mühsam aus dem Auto gehievt und unter Schmerzen den gefühlt marathonstreckenlangen Fußweg in den Laden hinter mich gebracht habe. Vor mir steht ein Kunde, links aber etwas abseits ein junger Türke. Der Kunde vor mir kauft sich gerade querbeet durch sämtliche Kindermedikamente während eine andere Mitarbeiterin dies und das verräumt. Nach ca. 5 Minuten erbarmt sie sich und fragt, womit sie mir helfen könne. Der junge Türke scheint auf etwas anderes zu warten, also erzähle ich von meinem komischen Steißbeinschmerz, der seit gestern auf unerklärliche Weise plötzlich da war und seither immer schlimmer wird. Sie hört sich das an um mir dann mit osteuropäischem Akzent zu sagen, dass ich wohl doch besser warte bis die Chefin Zeit hat. Die Chefin war anscheinend die Dame im Verkaufsgespräch mit dem Kunden vor mir. Also gut, dann eben warten. Irgendwann hatte der Kunde vor mir soviel Zeug gekauft, dass entweder seine Barreserven zur Neige gingen oder man hätte die Drogenaufsichtsbehörde informieren müssen, wenn er noch mehr gewollt hätte. Nach einem Bezahltrara (EC-Karte ging nicht) war die Chefin also endlich bereit für neue Kranke und somit… den jungen Türken. Der wartete nämlich auch auf die Chefin. Er wollte für seine schwangere Frau (7. Woche) Omega3-Kapseln, aber (!) ohne Gelatine. Gibts nicht, sagt die Chefin, müsste sie in Amerika bestellen und das dauert zwei Wochen. Ob sie das tun soll. Keine Ahnung, wie das ausging, aber es gibt sehr wohl auch bei uns gelatinefreie Omega3-Kapseln, die man als nicht schweinefleischessender Mensch ohne Probleme am Stück zu sich nehmen kann und nicht aufschneiden und das Gebrösle rausholen muss, wie man dem armen Kerl ernsthaft vorschlug (zumal es dem Schwein gegenüber nicht fair wäre: da stirbt es um Gelatine für Omega3-Kapseln zu liefern und was ist? Die verschmähen das und lutschen nur das Fischöl!). Letztlich ging er unverrichterer Dinge und mit Omega3-loser schwangerer Frau in der 7. Woche. Ich wollte ihm beim Rausgehen noch den Ratschlag geben, dass er sich ja im Supermarkt nebenan Lachs im Speckmantel holen und den Speck entfernen kann. Dann hätte er in etwa den gleichen Effekt. Aber er sah so frustriert aus, da wollte ich kein Salz in die Wunde streuen. Vor allem, weil es ja nun um die Königsdisziplin des Tages ging, auf den die Apothekenchefin nur gewartet hatte: meine Steißbeinschmerzen und die Heilung derselben. Ich fing an den Werdegang dieser bitteren Erkrankung zu schildern, als sie meinen Redefluß stoppte und den Verlauf mit den Worten “und das strahlt ins Bein” vorweg nahm. Hah! Eine Könnerin Ihres Fachs! Den Tipp mit Akkupunktur habe ich aber mal ignoriert (Nadeln in den Körper? Freiweillig? Hallo?), und auch die Sache mit dem Pflaster war mir unheimlich: diese Dinger sind sehr groß, zuschneiden darf man sie aber nicht. Ich sollte mir also ein Pflaster in der Größe eines mittelgroßen Wohnzimmerteppichs auf den Steiß plus den Allerwertesten kleben? Ein Pflaster, das im Ruf steht sehr heiß zu werden? Niemals nie. Zumindest vorerst nicht. Wenn es morgen nicht besser wird, ziehe ich das vielleicht in Betracht. Vorerst muss es aber die gekaufte Creme (Voltaren. Schmerz- und Entzündungshemmend) plus das Magnesium (“Heute die doppelte Dosis, ab morgen dann nur ein Tütchen”. Sie meinte das Magnesium, wie ich beim Öffnen der Verpackung feststellte. Das ist tatsächlich tütchenweise portioniert. Hatte mich schon gewundert und gefragt, ob man das jetzt auch in der Apotheke kriegt). Und dann zeigte sie mir noch Übungen und alleine das war es wert. Es sah für die Leute draussen bestimmt seltsam aus, fast so, als würde man mir zeigen, wie man aussieht, wenn man unter akuter Verstopfung leidet. Es ging aber um ein Anspannen der Muskeln im schmerzhaften Bereich und einer doppelten so langen Entspannung. Habe ich vorhin probiert: hilft nicht. Zumindest nicht auf die Schnelle. Ich probiere das nachher aber gerne noch ein paar Mal. Plus die anderen Übungen wie Strecken, am Türrahmen hängen usw. Zum Glück kann bei mir keiner durchs Fenster schauen.

Und morgen bin ich wieder fit wie ein Turnschuh, stöhne nicht jedesmal, wenn ich aufstehe oder mich setze und ich laufe auch nicht mehr, als hätte man mir gerade operativ das Rückrat entfernt. Und falls doch: ich habe jetzt auch ein formschönes, blau-weiß gestreiftes Kissen, das ich mit ins Büro nehmen und jedem um die Ohren hauen werde, der mit einem blöden Spruch kommt. Dann tausche ich aber vorher die billige Kunststoffdaunenfüllung gegen ein paar handfeste Ziegelsteine.