In der Apotheke

Irgendwie hat sich das Konzept Medikamente online zu kaufen nicht so wirklich durchgesetzt. Ich kenne da zwar einen Kandidaten, der das nun wieder mal versucht, aber letztendlich kenne ich so gut wie niemanden, der sich seine Aspirin, Betablocker oder Viagra online bestellt (letzteres vielleicht doch, aber das geben die üblichen Verdächtigen ja wieder nicht zu).

Einer der Gründe könnte sein, dass einem beim Onlinekauf von pharmazeutischen Artikeln die Beratung fehlt, wobei mir nicht ganz klar ist, was es beim Kauf von Aspirin, Bepanthen oder ähnlichem groß an Beratung braucht. Bei anderen Dingen aber dann doch. Man geht in die Apotheke, berichtet von seinen kleineren oder größeren Zipperlein, wird kurz bemitleided und bekommt dann genau das, was es braucht, damit es einem wieder gut geht (im Zweifelsfall was von Ratiopharm – bis auf die Antidepressiva: man munkelt, dass die von Ratiopharm nicht sonderlich wirksam sind. Ich sage nur Regionalexpress Ulm-Ravensburg). So war das zumindest früher. Heute läuft auch dort einiges anders.

Ich betrete die Apotheke, nachdem ich mich mühsam aus dem Auto gehievt und unter Schmerzen den gefühlt marathonstreckenlangen Fußweg in den Laden hinter mich gebracht habe. Vor mir steht ein Kunde, links aber etwas abseits ein junger Türke. Der Kunde vor mir kauft sich gerade querbeet durch sämtliche Kindermedikamente während eine andere Mitarbeiterin dies und das verräumt. Nach ca. 5 Minuten erbarmt sie sich und fragt, womit sie mir helfen könne. Der junge Türke scheint auf etwas anderes zu warten, also erzähle ich von meinem komischen Steißbeinschmerz, der seit gestern auf unerklärliche Weise plötzlich da war und seither immer schlimmer wird. Sie hört sich das an um mir dann mit osteuropäischem Akzent zu sagen, dass ich wohl doch besser warte bis die Chefin Zeit hat. Die Chefin war anscheinend die Dame im Verkaufsgespräch mit dem Kunden vor mir. Also gut, dann eben warten. Irgendwann hatte der Kunde vor mir soviel Zeug gekauft, dass entweder seine Barreserven zur Neige gingen oder man hätte die Drogenaufsichtsbehörde informieren müssen, wenn er noch mehr gewollt hätte. Nach einem Bezahltrara (EC-Karte ging nicht) war die Chefin also endlich bereit für neue Kranke und somit… den jungen Türken. Der wartete nämlich auch auf die Chefin. Er wollte für seine schwangere Frau (7. Woche) Omega3-Kapseln, aber (!) ohne Gelatine. Gibts nicht, sagt die Chefin, müsste sie in Amerika bestellen und das dauert zwei Wochen. Ob sie das tun soll. Keine Ahnung, wie das ausging, aber es gibt sehr wohl auch bei uns gelatinefreie Omega3-Kapseln, die man als nicht schweinefleischessender Mensch ohne Probleme am Stück zu sich nehmen kann und nicht aufschneiden und das Gebrösle rausholen muss, wie man dem armen Kerl ernsthaft vorschlug (zumal es dem Schwein gegenüber nicht fair wäre: da stirbt es um Gelatine für Omega3-Kapseln zu liefern und was ist? Die verschmähen das und lutschen nur das Fischöl!). Letztlich ging er unverrichterer Dinge und mit Omega3-loser schwangerer Frau in der 7. Woche. Ich wollte ihm beim Rausgehen noch den Ratschlag geben, dass er sich ja im Supermarkt nebenan Lachs im Speckmantel holen und den Speck entfernen kann. Dann hätte er in etwa den gleichen Effekt. Aber er sah so frustriert aus, da wollte ich kein Salz in die Wunde streuen. Vor allem, weil es ja nun um die Königsdisziplin des Tages ging, auf den die Apothekenchefin nur gewartet hatte: meine Steißbeinschmerzen und die Heilung derselben. Ich fing an den Werdegang dieser bitteren Erkrankung zu schildern, als sie meinen Redefluß stoppte und den Verlauf mit den Worten “und das strahlt ins Bein” vorweg nahm. Hah! Eine Könnerin Ihres Fachs! Den Tipp mit Akkupunktur habe ich aber mal ignoriert (Nadeln in den Körper? Freiweillig? Hallo?), und auch die Sache mit dem Pflaster war mir unheimlich: diese Dinger sind sehr groß, zuschneiden darf man sie aber nicht. Ich sollte mir also ein Pflaster in der Größe eines mittelgroßen Wohnzimmerteppichs auf den Steiß plus den Allerwertesten kleben? Ein Pflaster, das im Ruf steht sehr heiß zu werden? Niemals nie. Zumindest vorerst nicht. Wenn es morgen nicht besser wird, ziehe ich das vielleicht in Betracht. Vorerst muss es aber die gekaufte Creme (Voltaren. Schmerz- und Entzündungshemmend) plus das Magnesium (“Heute die doppelte Dosis, ab morgen dann nur ein Tütchen”. Sie meinte das Magnesium, wie ich beim Öffnen der Verpackung feststellte. Das ist tatsächlich tütchenweise portioniert. Hatte mich schon gewundert und gefragt, ob man das jetzt auch in der Apotheke kriegt). Und dann zeigte sie mir noch Übungen und alleine das war es wert. Es sah für die Leute draussen bestimmt seltsam aus, fast so, als würde man mir zeigen, wie man aussieht, wenn man unter akuter Verstopfung leidet. Es ging aber um ein Anspannen der Muskeln im schmerzhaften Bereich und einer doppelten so langen Entspannung. Habe ich vorhin probiert: hilft nicht. Zumindest nicht auf die Schnelle. Ich probiere das nachher aber gerne noch ein paar Mal. Plus die anderen Übungen wie Strecken, am Türrahmen hängen usw. Zum Glück kann bei mir keiner durchs Fenster schauen.

Und morgen bin ich wieder fit wie ein Turnschuh, stöhne nicht jedesmal, wenn ich aufstehe oder mich setze und ich laufe auch nicht mehr, als hätte man mir gerade operativ das Rückrat entfernt. Und falls doch: ich habe jetzt auch ein formschönes, blau-weiß gestreiftes Kissen, das ich mit ins Büro nehmen und jedem um die Ohren hauen werde, der mit einem blöden Spruch kommt. Dann tausche ich aber vorher die billige Kunststoffdaunenfüllung gegen ein paar handfeste Ziegelsteine.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.