Ach Cynthia…

Keck sprang die kleine Rothaarige über die Straße, hielt kurz inne, um mir zuzuzwinkern, rannte dann rannte weiter auf die andere Straßenseite. Es war nur ein kurzer Augenblick, aber trotzdem spürte ich die Magie des Moments. Die kleine Rothaarige trat so schnell in mein Leben, wie sie wieder daraus verschwand. So ist das manchmal mit magischen Momenten. Zum Abschied winkte ich ihr noch nach, aber sie war schon im Dickicht des Waldes verschwunden … wie Eichhörnchen das eben so machen.

Letztlich wäre aus Cynthia (so hieß das Eichhörnchen. Vermute ich zumindest) und mir aber eh nichts geworden: mit Rothaarigen habe ich schlechte Erfahrungen gemacht. Aber das gilt auch für Brünette, Blonde, Schwarzhaarige… eigentlich habe ich mit jeder Haarfarbe schlechte Erfahrungen gemacht. Ok, es war nicht immer nur alles schlecht, es gab durchaus auch positive Momente und letztlich darf man (Vorsicht: jetzt kommt ein Super-Wortspiel in diesem Zusammenhang) natürlich nicht alle über einen Kamm scheren (Ein Brüller, oder?).
Vielleicht lag es ja auch am Geschlecht: schon Loriot sagte, dass Männer und Frauen einfach nicht zusammenpassen (Haarfarben erwähnte er in dem Zusammenhang meines Wissens nach nicht). Andererseits ist es auch zwischen Mann und Mann nicht immer einfach. Im einen Moment wird man noch zärtlich Wuschelkopf gerufen und kurz danach scheppert man tot an einen Sackkarren gebunden quer durch Berlin. Will gar nicht wissen, wie es den Leuten geht, wenn plötzlich ein Eichhörnchen mit Sackkarre am Straßenrand steht und komisch kuckt. Die erschrecken sich bestimmt zu Tode. Und Beziehungen zwischen Frauen stelle ich mir sowieso schwierig vor. Schon alleine wegen den (architektonisch bedingt) begrenzten Ablageflächen im Badezimmer. Da ist der Streit vorprogrammiert und ruckzuck fliegen Tampons, Flakons, Einwegrasierer, Cremetuben und Haarfärbemittelfläschhen (Samtrot. Der Anfang eines Rothaarigentraumas). Das ist nicht schön, wenn man kein extremes Faible für Versöhnungssex und kein gesteigertes Interesse an aufgeräumten Badezimmern hat (Es ist allerdings immer noch besser als die Sackkarrennummer).

Das klingt jetzt alles dramatisch und furchtbar und nach weidwundem Reh stattlichem Hirsch mit einem kleinen Kratzer am Geweih, aber dem ist gar nicht so (Mein Geweih ist immer noch 1A und auch sonst ist alles gut): tatsächlich gab es mit sämtlichen Haarfarben auch wunderbare Momente, Wuschelkopf wurde ich selten und wenn nicht von den falschen Personen genannt und in meinem Badezimmer finden sich noch freie Ablageflächen. Aber all das konnte Cynthia ja nicht wissen, als sie sich für ein Leben ohne mich entschied. Ist vielleicht besser so: ich weiß nicht, ob ich das alles hier hätte aufgeben können für ein Leben im Wald.

Weiterhin unverheiratet, aber dafür mit sauberem und kurzem Haar und tiefenentspannter Kopfhaut

Mit Frisören bzw. Frisörbesuchen im speziellen habe ich eigentlich noch nie schlechte Erfahrungen gemacht. Das liegt vermutlich unter anderem daran, dass man bei meinen Haaren nicht wirklich viel falsch machen kann: sie haben irgendwann eine bestimmte Länge, die ich als zu lang erachte. Dann dauert es noch ein Weilchen, bis ich es endlich geregelt bekomme und einen Termin bei einem Frisör ausmache. Meistens habe ich sogar das Glück, dass ich noch am gleichen Tag und wenn es richtig gut läuft, in der Mittagspause kurz vorbeikommen kann. So war das auch heute. Mein Erstbesuch bei einem Frisör, den ich noch nicht kenne, bei einer Dame, die mir – wie die Gegend, in der der Laden ist – völlig unbekannt, aber zu Fuß gut zu erreichen ist (also sowohl der Laden, wie auch die Dame, denn sie arbeitet logischerweise dort. Stimmt auch nicht ganz, denn als ich fünf Minuten zu früh ankam, arbeitete sie keineswegs, denn sie hatte noch Pause. Aber jetzt wollen wir mal nicht kleinlich werden).

Laut Website ist man bei diesem Frisör auf alles vorbereitet: Weibchen, Männchen, Kindchen. Perfekt, denn da passe ich doch genau ins Raster. Tatsächlich war ich aber das einzige Männchen im Raum und daran sollte sich auch nichts mehr ändern. Ich war zwar nicht bei der Bundeswehr, aber unterbewusst scheine ich doch zu wissen, wie man sich zu verhalten hat, wenn man auf feindlichen Terrain unterwegs ist. Das klappte wunderbar. Zuerst führte mich eine sehr junge Frau an einen Platz, bot mir etwas zu trinken an („Wasser, bitte. Nein, ohne Kohlensäure“ -> feindliches Gebiet: kein Bier bestellen; hellwach bleiben!) und fragte, ob ich etwas essen möchte. Ein Brezel oder so. Das kannte ich bisher auch noch nicht. Brezeln beim Frisör. Coole Sache, aber ich wollte kein Brezel und nach einem gemischten Salat mit Garnelen und Streifen von Rinderfilet traute ich mich nicht zu fragen. Also gab es nur Wasser ohne Kohlensäure, einen Sitzplatz und ein freundliches Hallo von einer weiteren, ebenfalls sehr jungen Dame, deren Aufgabe es war, mein Haupt zu waschen, was sie auch tat. Ausgiebig. Mit Hingabe. Und Wasser (auch ohne Kohlensäure, dafür mit Shampoo). Es war großartig, es war herrlich und es hätte meinetwegen noch einige Stunden weitergehen können. Tat es aber nicht und ich war wirklich ein klitzekleines bisschen enttäuscht (auch wenn das Trockenrubeln klasse war), aber dann sagte sie die magischen vier Worte: und jetzt noch eine Kopfmassage (das „und“ ist ein Füllwort und zählt nicht). Und dann massierte sie. Mit Hingabe. Ohne Wasser, ohne Kohlensäure und ohne Shampoo. Nur das Dudeln des Radios übertönte mein wohliges Schnurren.

Gerade als ich kurz davor war wegzudämmern, war die Massage zu Ende und plötzlich steht da eine weitere sehr junge Frau. Das war die Dame mit den scharfen Sachen, sprich den Scheren und sonstigen Schneidemaschinen. Kurzer Check der Lage (wie gesagt: bei meinen Haaren kann man nicht viel falsch machen) und schon ging es los. Natürlich war es wie immer: Smalltalk ist erwünscht (nicht von mir, aber Frisörinnen und Frisöre scheinen ohne Smalltalk nicht leben zu können) und ich hatte keine Chance dem zu entkommen (wie auch: mit feuchten Haaren, einem enstellenden Plastikumhang und einer Frau mit einer Schere in der Hand, die hinter einem steht). Immerhin war es einigermaßen spannend; es war auch alles dabei: Herz, Schmerz, Trennung, lesbische Liebe, zwei Hochzeiten, eine Oma, die von nichts weiß. Außerdem hat sie auch zwei Katzen. Theoretisch könnten wir also sofort heiraten: ich weiß alles von ihr, was bei mir ist interessiert nicht, sie hat keine Katzenallergie und eine ihrer Freundinnen kann total gut Haare waschen und Köpfe massieren. Besser kann es eigentlich nicht mehr kommen. Obwohl… ich habe nicht gefragt, ob sie Veganerin ist. Denke aber nicht: Veganer sagen einem sowas ja gerne mal direkt als erstes und ungefragt.

„Guten Tag, ich ernähre mich vegan, wie sollen wir denn die Haare schneiden? Apropos: ich habe Katzen.“
„Mist, das ist jetzt schade. Also das mit dem vegan, das mit den Katzen hätte gepasst. Seitlich kurz, gerne mit der Maschine. Oben dann anpassen.“

Und somit habe ich heute also eine saubere und sehr entspannte Kopfhaut, kurzes, gepflegtes und ebenfalls sauberes Haupthaar und bin weiterhin unverheiratet.