Mit Frisören bzw. Frisörbesuchen im speziellen habe ich eigentlich noch nie schlechte Erfahrungen gemacht. Das liegt vermutlich unter anderem daran, dass man bei meinen Haaren nicht wirklich viel falsch machen kann: sie haben irgendwann eine bestimmte Länge, die ich als zu lang erachte. Dann dauert es noch ein Weilchen, bis ich es endlich geregelt bekomme und einen Termin bei einem Frisör ausmache. Meistens habe ich sogar das Glück, dass ich noch am gleichen Tag und wenn es richtig gut läuft, in der Mittagspause kurz vorbeikommen kann. So war das auch heute. Mein Erstbesuch bei einem Frisör, den ich noch nicht kenne, bei einer Dame, die mir – wie die Gegend, in der der Laden ist – völlig unbekannt, aber zu Fuß gut zu erreichen ist (also sowohl der Laden, wie auch die Dame, denn sie arbeitet logischerweise dort. Stimmt auch nicht ganz, denn als ich fünf Minuten zu früh ankam, arbeitete sie keineswegs, denn sie hatte noch Pause. Aber jetzt wollen wir mal nicht kleinlich werden).
Laut Website ist man bei diesem Frisör auf alles vorbereitet: Weibchen, Männchen, Kindchen. Perfekt, denn da passe ich doch genau ins Raster. Tatsächlich war ich aber das einzige Männchen im Raum und daran sollte sich auch nichts mehr ändern. Ich war zwar nicht bei der Bundeswehr, aber unterbewusst scheine ich doch zu wissen, wie man sich zu verhalten hat, wenn man auf feindlichen Terrain unterwegs ist. Das klappte wunderbar. Zuerst führte mich eine sehr junge Frau an einen Platz, bot mir etwas zu trinken an („Wasser, bitte. Nein, ohne Kohlensäure“ -> feindliches Gebiet: kein Bier bestellen; hellwach bleiben!) und fragte, ob ich etwas essen möchte. Ein Brezel oder so. Das kannte ich bisher auch noch nicht. Brezeln beim Frisör. Coole Sache, aber ich wollte kein Brezel und nach einem gemischten Salat mit Garnelen und Streifen von Rinderfilet traute ich mich nicht zu fragen. Also gab es nur Wasser ohne Kohlensäure, einen Sitzplatz und ein freundliches Hallo von einer weiteren, ebenfalls sehr jungen Dame, deren Aufgabe es war, mein Haupt zu waschen, was sie auch tat. Ausgiebig. Mit Hingabe. Und Wasser (auch ohne Kohlensäure, dafür mit Shampoo). Es war großartig, es war herrlich und es hätte meinetwegen noch einige Stunden weitergehen können. Tat es aber nicht und ich war wirklich ein klitzekleines bisschen enttäuscht (auch wenn das Trockenrubeln klasse war), aber dann sagte sie die magischen vier Worte: und jetzt noch eine Kopfmassage (das „und“ ist ein Füllwort und zählt nicht). Und dann massierte sie. Mit Hingabe. Ohne Wasser, ohne Kohlensäure und ohne Shampoo. Nur das Dudeln des Radios übertönte mein wohliges Schnurren.
Gerade als ich kurz davor war wegzudämmern, war die Massage zu Ende und plötzlich steht da eine weitere sehr junge Frau. Das war die Dame mit den scharfen Sachen, sprich den Scheren und sonstigen Schneidemaschinen. Kurzer Check der Lage (wie gesagt: bei meinen Haaren kann man nicht viel falsch machen) und schon ging es los. Natürlich war es wie immer: Smalltalk ist erwünscht (nicht von mir, aber Frisörinnen und Frisöre scheinen ohne Smalltalk nicht leben zu können) und ich hatte keine Chance dem zu entkommen (wie auch: mit feuchten Haaren, einem enstellenden Plastikumhang und einer Frau mit einer Schere in der Hand, die hinter einem steht). Immerhin war es einigermaßen spannend; es war auch alles dabei: Herz, Schmerz, Trennung, lesbische Liebe, zwei Hochzeiten, eine Oma, die von nichts weiß. Außerdem hat sie auch zwei Katzen. Theoretisch könnten wir also sofort heiraten: ich weiß alles von ihr, was bei mir ist interessiert nicht, sie hat keine Katzenallergie und eine ihrer Freundinnen kann total gut Haare waschen und Köpfe massieren. Besser kann es eigentlich nicht mehr kommen. Obwohl… ich habe nicht gefragt, ob sie Veganerin ist. Denke aber nicht: Veganer sagen einem sowas ja gerne mal direkt als erstes und ungefragt.
„Guten Tag, ich ernähre mich vegan, wie sollen wir denn die Haare schneiden? Apropos: ich habe Katzen.“
„Mist, das ist jetzt schade. Also das mit dem vegan, das mit den Katzen hätte gepasst. Seitlich kurz, gerne mit der Maschine. Oben dann anpassen.“
Und somit habe ich heute also eine saubere und sehr entspannte Kopfhaut, kurzes, gepflegtes und ebenfalls sauberes Haupthaar und bin weiterhin unverheiratet.
Vor über zehn Jahren waren Sie aber mal verheiratet, oder? Ich erinnere mich an ein Hochzeitsfoto, das hier veröffentlicht wurde.
Ja, früher mal. Das ist aber schon ein Weilchen her.