Die griechische Kollegin mit der musikalischen Macht und die massierenden ITler

In Guantanomo Bay werden die Gefangenen durch dauerhafte Musikbeschallung gefoltert, in der Hoffnung, sie mürbe zu machen und zu brechen, auf dass sie doch endlich zugeben, was immer zuzugeben ist. Das ist nicht schön, aber in Zeiten, in denen Trump als Präsidentschaftskandidat ins Rennen gehen könnte, sollte klar sein, dass Amerika nicht unbedingt immer ein Sinnbild von Schönheit ist – schon gar nicht in Bezug auf Moral, Ethik und solchem Firlefanz.

Musik wird also auch schon mal als Folterinstrument eingesetzt. Kann ich auch gut nachvollziehen: der Nachbarsjunge spielt Schlagzeug und ich habe mal über einer Familie gewohnt, wo die Tochter keine Ahnung von Klarinette hatte, diese Tatsache aber ignorierte und ausgiebig Klarinette… naja, spielte wäre übertrieben. Sie quälte sie und somit auch mich. Das war quasi Guantanamo light mitten in München.

Ich bin also ein gebranntes und vor allem gequältes Kind und folglich mache ich mir Sorgen, wenn plötzlich Dinge musikalischer Art geschehen, die so nicht vorhersehbar oder angekündigt waren. Ich sorge mich zum Beispiel, weil in der Firma plötzlich Boxen in den Fluren stehen. Diese Boxen sind Teil eines großen Soundsystems (eines edlen Soundsystems), das fortan alle Flure im ganzen Gebäude einheitlich beschallen wird. Man kommt also nun aus dem Büro mit den typischen Bürogeräuschen („Setz nochmal Wasser auf!“, „In fünf Minuten ist Meeeeeting!“, Tippetitippetitipp, „Einen schönen guten Morgen, mein Name ist xyz, was kann ich für Sie tun?“) in einen bisher ruhigen, nun akkustisch untermalten Flur. Noch ungewohnt und… gebranntes und gequältes Kind … mit einer gewissen Sorge verbunden.

Bisher läuft so Easy-Listening-Esoterik-Gedudel. Man wähnt sich beim Gang durch den Flur ein bisschen in einem Wellnesstempel – allerdings ohne Whirlpool, Sauna oder Massage. Letzteres bekämen wir vielleicht noch hin – man sagt, die Jungs aus der IT hätten gelenkige Finger vom Serverschränkebestücken, aber ich weiß ja auch nicht… So eine Massage im Flur. Hm. Ob das entspannend ist? Immerhin würde ich bei dem Gelaber über Microsoft-Updates und Festplattengeschraube höchstwahrscheinlich in einer Millisekunde einschlafen, aber das bekäme ich bestimmt von der Arbeitszeit abgezogen und das muss dann ja auch nicht sein.*
Die Macht über das, was über das allumfassende Soundsystem läuft, hat übrigens die griechische Kollegin. Das habe ich heute vormittag erfahren und schwupp war da wieder – gebranntes und gequältes Kind – diese Sorge. Es wurde nicht besser, als sie erzählte, dass sie früh morgens, wenn sie noch alleine da ist, gerne mal griechische Musik durch die Flure jagt. Griechische Musik? Das sind dann wohl Songs wie der hier

aber ich glaube, sie meinte nicht sowas. Die Sorge wurde größer… Überhaupt: wie kann man die Macht über so etwas wichtiges wie GefangenenMitarbeiterbeschallung einer Frau überlassen? Es ist doch bekannt, dass es da gelegentlich zu…hm…sagen wir…leichten Schwankungen in der grundsätzlichen Stimmungslage kommen kann. So kleine, fast nicht wahrnehmbare Veränderungen. Vergleichbar mit Erdogan, dem man seine Verstimmungen ja auch nur anmerkt, wenn man ganz genau hinhört. Man stelle sich vor, Erdogan dürfe darüber bestimmen, was ich im Flur zu hören bekomme. Furchtbar! Zum Glück hat er nicht soviel Macht. Dafür aber die Kollegin. Sorge, Sorge, Sorge (gebranntes und gequältes Kind, sage ich da nur)!

Aber es hilft alles nichts. Man muss eben die Tür zum Flur langsam öffnen und lauschen, was da durch den Äther rauscht und wenn es hart auf hart kommt, wenn der absolute Notfall eintritt, wenn gar nichts mehr geht (Ich rede von Helene Fischer unplugged oder ähnlichem), wenn auch auf Hilfe von außen keine Hoffnung besteht, habe ich vorgesorgt: im Schreibtisch liegt eine Stricknadel mit 5 Millimeter Durchmesser. Es ist nur ein kurzer Schmerz sagt man, aber sobald das Trommelfell durch ist, hört man nichts mehr. Zumindest auf dem einen Ohr. Dann das gleiche nochmal beim anderen Trommelfell.
* Jetzt habe ich Bilder von mich massierenden IT-Menschen im Kopf und möchte mir die Stricknadel am liebsten direkt ins Gehirn stechen.

2 Gedanken zu „Die griechische Kollegin mit der musikalischen Macht und die massierenden ITler“

  1. Liebes ehemals gequältes und gebranntes Kind,

    mein großes griechisches Herz geht über vor Mitgefühl mit den wahrlich tiefen Einschnitten in deinen recht fragilen musikalischen Seelenfrieden. Und ich will nicht lügen: die Macht über das aurale Wohl und Wehe der Kollegen steigt mir schon zu Kopf.

    Wohin, mein lieber Freund, möchtest du mit dieser Anspielung auf mögliche Stimmungsschwankungen? Bisher hast du bei mir in der Ouzo 12-Kategorie gesteckt, du weißt schon, “für meine guten Freunde”, aber ich fürchte du schubst dich gerade selbst aus dieser elitären hellenischen Schublade. Da juckt es mir doch in den Fingern, diese Stricknadel selbst in die Hand zu nehmen und dich damit zu jagen. Sind das denn Stimmungsschwankungen, wenn ich mich innerhalb einer Minute von Lachen zu Weinen zu Nostalgie und Sarkasmus hangele? Nein sage ich! Die regenbogenbunte Palette der Emotionen ist da, um exzessiv gelebt zu werden.

    Nun ist wohl der Moment, da ich meiner Pflicht nachkomme und deiner trüben – und wahrlich verletztenden – Denke über meinen herausragenden musikalischen Geschmack entgegenwirke. Ich verspreche hoch und heilig, mich möglichst an die von der Geschäftsführung gewünschte Chill-out- und Lounge Musik zu halten, um die positive Atmosphäre in den Gängen zu stärken. Natürlich lediglich unterbrochen von gelegentlichen unbedeutenden Experimenten. Bin ich schuld, dass es tausende von Sendern gibt, die gehört werden möchten? Ist es denn schlimm, wenn ich euch allen die faszinierende griechische Kultur mithilfe von Sirtaki und Bouzouki näher bringen möchte? Und wieder meine ich, Nein!

    Es ist an der Zeit, deine Wunden zu heilen. Sei daher unbetrübt, du gebranntes und gequältes Kind. Dich kriege ich auch noch dazu, im Ouzo-geschwängerten Delirium tanzend und singend mit mir und den Kollegen durch die Gänge zu hüpfen. Und YouTube sei Dank wird die Welt daran teilnehmen können. “OPA” rufe ich zu diesem schönen Bild und zerbreche in meiner glücklichen Gedankenwelt ein paar Teller auf eben diesen Gängen.

    Wir sehen und hören uns,
    deine musikmachthungrige Kollegin

    PS: Wusstest du eigentlich, dass Nicole’s Lied “Allein in Griechenland” einer meiner Lieblingssongs aus der Kindheit ist? Hhhmm, wenn ich jetzt so darüber nachdenke, habe ich ihn schon lange nicht gehört! Wer weiß, vielleicht Montag …

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