Tach, Post

Ende November war ein Brief im Briefkasten. Super, dachte ich mir. Steht das blöde Ding nicht völlig sinnlos da und verschandelt die Gegend. Ist aber grundsätzlich schon gut, dass er da steht; ansonsten wüsste der Briefträger ja auch nicht wohin mit all der Post, die werbetreibende Industrie hätte keinen Platz um ihre Prospekte abzulegen und ich hätte einen Schlüssel am Schlüsselbund, von dem ich gar nicht wüsste, wozu der da ist. Dank vorhandenem Briefkasten weiß ich es aber und so konnte ich an eben jenem mir nicht mehr näher geläufigen Tag Ende November mit diesem Schlüssel, den bei mir vorhandenen Briefkasten öffnen und siehe da: ein Brief. Wie passend. Wer mochte mir da wohl geschrieben haben? Die Lottogesellschaft, um mir von meinem Millionengewinn zu berichten? Mein Zwillingsbruder, von dem weder ich, noch meine Mutter wusste? Der erste Affe, der von Hand schreiben kann und mich als Adressaten für seinen ersten Brief erwählt hat? Eine Dame, die mir von ihrer geheimen Liebe zu mir beichten möchte? Oder womöglich meine Zahnärztin, die mich daran erinnert, dass es mal wieder Zeit für einen Check wäre?

Ok, sie hat natürlich vollkommen recht: ich müsste tatsächlich mal wieder zum Check, aber mal ehrlich: gibt es ein passenderes Thema zum Verdrängen als ein Zahnarzttermin? Darmspiegelung vielleicht, aber die schreiben zum Glück keine Briefe (es sei denn, die haben sehr explizite Bilder auf ihren Flyers und da ging es gar nicht um neue Garagen – mit Platz für zwei). Meine Zahnärztin hat da aber auch den falschen Ansatz. In dem Brief stand sinngemäß, dass es Zeit für ein Rendezvous wäre und ich mich doch mal melden solle. Das funktioniert ja schon bei den ganzen WhatsApp-Nachrichten nicht, die da stündlich eintrudeln, warum sollte es also hier klappen? In dem Brief sollte ein konkretes Datum mit fixer Uhrzeit stehen, wo man sich in der Praxis zur Untersuchung zu melden hat – unter Androhung von Gewalt, falls man nicht erscheint. Aber der lapidare Hinweis, dass man sich ja mal melden könne – Frau Doktor hat Lust einem mal wieder auf den Nerv zu gehen; und das im wortwörtlichen Sinn… das ist jetzt nix, was in mir den akuten Drang auslöst, mich dort zu melden. Gut, wenn man auf Schmerzen steht, sind die Finger am Telefon, um einen Termin zu vereinbaren. Ich konnte dem Drang bis zum heutigen Tag widerstehen. Bei mir ist es genau umgekehrt: ich melde mich dort wahrscheinlich erst, wenn ein Schmerz auftaucht, in der Hoffnung, dass Frau Doktor ihn beseitigt. So unterschiedlich sind Geschmäcker.

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