Ich bin letztens mal wieder mit der Bahn gefahren und fand es großartig: wo sonst sind so viele Menschen auf relativ engem Raum, dass man mit unschuldigem Blick dasitzen und pupsen kann und keiner weiß, wer es war. Ich habe das mal im Dom zu Speyer versucht und glauben Sie mir: das schallt ganz schön. Man hat schon fast Angst, dass die ganzen toten Kaiser, die da eingebuddelt sind von dem Krach wieder aufwachen – und Helmut Kohl liegt ja auch nicht so weit vom Dom entfernt… Nicht so im ICE. Die Dinger sind so gebaut, dass sich der entstehende Schall unter das Grundrauschen des Stimmengewirrs, Kofferdurchdiegängeruckelns und den quietschenden Schienen mischt. Perfekt. Da haben sich die Planer wirklich was dabei gedacht – wahrscheinlich auch hinsichtlich der im Bordrestaurant dargebotenen Speisen. Ich kenne mich mit der Technik eines ICE nicht näher aus, aber wenn sie richtig clever waren, nehmen sie die hochexplosive Abluft der Kabinen noch zur Energiegewinnung für den Betrieb der zugeigenen Klimaanlagen. Oder sie nutzen diese Energie für den Antrieb des Zuges. Mit den richtigen Fahrgästen und Zwiebelsuppe als Vor- und Bohneneintopf als Hauptspeise könnte so ein ICE vielleicht sogar völlig autark fahren. Ist aber wahrscheinlich zu gefährlich: man denke an die qualvollen Tode der Leute, wenn das Abluftsystem mal ausfällt.
Zugfahren ist eine tolle Sache. Oft fährt man parallel zu Autobahnen, sieht die Staukolonnen und freut sich so sehr, dass einem vor lauter Entspannung… man ist halt entspannt. Manchmal steht man auch selbst auf offener Strecke, aber hat das Glück, dass der Verkehr auf der angrenzenden Straße so flüssig läuft, dass man das hämische Grinsen der Autofahrer nicht erkennen kann. Bei mir war es zuerst eine Weichenstörung und später auf einem Bahnhof in der Pampa „polizeiliche Ermittlungen“. Das ist ein bisschen gemein, weil man nicht weiß, gegen was und wen ermittelt wird und was dabei rumkam, erfährt man erst recht nicht. War ein Terrorist an Bord? Oder gar mehrere? Womöglich gar irgendwelche Weichenstörer, was bei meiner Fahrt sogar plausibel gewesen wäre… man weiß es einfach nicht. Speziell von Weichenstörern hört man eher selten. Wie gehen die vor? Stellen die sich neben eine Weiche, verwickeln sie in ein Gespräch und stören sie dadurch so sehr, dass die Weiche ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen kann? Oder stellen die Weichenstörer die Weiche wieder um, nachdem sie sich selbst in die korrekte Richtung geschwungen hat und die Weiche muss sich somit wieder neu positionieren, was aber die Weichenstörer stört das nicht; sie tun das, was sie am liebsten tun und stören die Weiche erneut durch verändern der Weichenposition usw. usf. Man müsste sich mal mit einem Fachanwalt für Störerhaftung unterhalten, aber wer hat schon so einen in der näheren Verwandtschaft und könnte die Feiertage dazu nutzen, diesen Themenkomplex zwischen Würstchen und Kartoffelsalat oder Gänsekeule, Rotkohl und Semmelknödel zu erörtern (Ich weiß nicht, wie die Feiertagsplanung bei Fachanwälten für Störerhaftung ist: gibt es da ganz rustikal Würstchen mit Kartoffelsalat oder darf es gerne edlen-feudal, aber dennoch dezent rustikal sein? Man müsste das im Vorgespräch bei einem Aperitif klären und zur Sicherheit beides in petto haben. Im Zweifelsfall gibt es eben Würstchen mit Semmelknödel und tags drauf Gänsekeule mit Kartoffelsalat. Den Rotkohl kann man sicher einfrieren).
Vielleicht wollen Fachanwälte für Störerhaftung an Heilig Abend und den Tagen danach aber auch einfach nur ihre Ruhe. Kann ich mir sogar gut vorstellen. Genausowenig wie ein Gynäkologe beim Anblick des gefüllten Truthahns vor sich auf dem Tisch scharf auf Fachfragen bzgl. seiner alltäglichen Arbeit ist oder ein Gerichtsmediziner in seiner Freizeit Fragen zur fachgerechten und ermittlungstechnisch am wenigsten zum Erfolg führenden Methode beim Entsorgen einer Leiche beantworten möchte – egal wie sehr der Familienstreit im Vorfeld ausgeartet ist. Also vielleicht lassen wir die Leute über die Feiertage einfach mal in Ruhe und klären später, wie es sich mit den Weichenstörern und der idealen Leichenentsorgung verhält. Bei letzterem aber bitte nicht zu lange warten.